Kritik: The Lady in the Van

0,5 von 3 Punkten: Fade, langatmige Filmschonkost mit bildungsbürgerlichem Fäkalhumor

Genre: Drama, Comedy
Erscheinungsjahr:
2015
Filmstart Deutschland: 14. März 2016
Cast: Maggie Smith, Alex Jennings
Regie: Nicholas Hytner
Drehbuch: Alan Bennett
Budget: 6 Mio. USD

London in den 1970er Jahren: Bald nach Bezug seines neuen Domizils in Camden Town macht Schriftsteller Alan Benett (Alex Jennings) die Bekanntschaft der schrulligen Mary Shepard (Maggie Smith). Die Obdachlose lebt in einem schrottreifen Lieferwagen und wird von den Bewohnern des Viertels geduldet. In einem schwachen Moment erlaubt Alan ihr, den Wagen in seiner Einfahrt zu parken. Was als Übergangslösung aufgrund drohenden Abschleppens gedacht war, entwickelt sich zum 15 Jahre währenden Dauerzustand. 

Der Film basiert auf dem gleichnamigen Theaterstück nach der wahren Geschichte von Autor Alan Bennett und seiner unkonventionellen „Mitbewohnerin“. 

Emotionale Wirkung: Nein.

Ohne Übertreibung: Ich erinnere mich nicht, wann mich ein Film zuletzt ähnlich langweilte. Dabei wäre durchaus Potential für einen interessanten Film vorhanden: „Mary Shepard“ (ein Falschname, wie wir später erfahren) hat eine tragische Lebensgeschichte, die mehr Beachtung verdient hätte. Leider hat „The Lady in the Van“ keinen Fokus: Die Story der alten Lady wird eher im Nachgang behandelt, das Leben von Bennett ist weitgehend ereignislos und die Beziehung zwischen beiden zeigt keine Dynamik, die mich in den Bann gezogen hätte.

Ich konnte auch keine emotionale Verbindung zu einem der Charaktere herstellen. Obwohl Mary einer realen Figur nachempfunden ist, bleibt sie das wandelnde Klischee der merkwürdigen und widerspenstigen Obdachlosen mit verborgenem Schicksal. Bennett selbst wirkt farblos und uninteressant. Die einzigen hervorstechenden Merkmale sind seine verheimlichte Homosexualität und seine „gespaltene Persönlichkeit“ als Schriftsteller. (Ein Thema, das übrigens in Charlie Kaufmans „Adaptation“ weit überzeugender interpretiert wurde.) Seine Beziehung zu Mary scheint nicht von besonderer Empathie oder gar echter Besorgnis geprägt zu sein, sondern von der Sorte linksliberal-bildungsbürgerlicher Toleranz, die Harald Schmidt einst so treffend als „Mischung aus Mitleid und Verachtung“ beschrieben hat. Das gilt übrigens auch für die anderen Bewohner des Viertels.

Und der Humor? Wesentliche Teile dessen drehen sich um das schmuddelige Erscheinungsbild der wirren Alten, die sie begleitende Duftfahne und ihre Hinterlassenschaften in der Einfahrt von Bennett. Leider bleibt Scheiße aber auch Scheiße, wenn man sie in Geschenkpapier verpackt. Oder, wie hier, in vermeintlichen Situations- oder Wortwitz.

Kreativität: Nein.

Verfilmungen realer Geschichten sollten IMHO zumindest durch eine innovative Umsetzung überzeugen. Dies ist bei „The Lady in the Van“ wieder einmal nicht der Fall. Man merkt dem Film auch deutlich an, dass er auf einem Theaterstück basiert. Und das ist hier kein Qualitätsmerkmal, sondern ein Zeichen, dass die spezifischen Möglichkeiten des Mediums Film nicht kreativ genutzt wurden. Das Gimmick der zwei Alan Bennetts im (Selbst-)Dialog reißt das Ganze da auch nicht mehr raus.

(Ein hervorragendes Beispiel für die kreative filmische Umsetzung eines Theaterstücks wäre beispielsweise „Romeo + Juliet“ von Baz Luhrmann aus dem Jahr 1997.)

Handwerk & Plausibilität: Jein.

Ein kleiner Lichtblick sind die Darsteller, insbesondere Maggie Smith – sie hat die Rolle schon am Theater gespielt. Auch wenn ich der Figur nicht viel abgewinnen kann, so wirkt Smith in der Rolle authentisch. Aus diesem Grund – und wirklich nur aus diesem – kriegt „The Lady in the Van“ noch einen halben Punkt. Mehr ist nicht drin. Denn abgesehen von der langatmigen und bemerkenswert uninteressant aufbereiteten Story sehe ich weder bei Regie, Ausstattung, Kamera oder in einem anderen Bereich irgendetwas über Fernsehfilm-Niveau.

Eines der größten Probleme ist jedoch das – gerade bei einer (Tragik-)Komödie wichtige – Timing: Der Film ist mit seinen 104 Minuten mindestens 14 Minuten zu lang, wenn man von einer Standardlänge von 90 Minuten ausgeht. In Anbetracht verbaler Redundanz, kaum erkennbarer Charakterentwickung und der lahmenden Dramaturgie wären aber auch diese 90 Minuten vielleicht noch zu viel. Weniger geht natürlich für einen Kinofilm heute kaum noch. Wie gesagt: Fernsehfilm.

Fazit

Ich liebe die Abwechslung. Deswegen mag ich sowohl (gute) Blockbuster als auch kleine Independentfilme und sperrige, anspruchsvolle Werke wie „Tree of Life“ (Malick) oder „Black Swan“ (Aronofsky). Wenn ersteres einem BigMac-Menü entspricht und letzteres innovativer, überraschender Experimentalküche, dann ist – um bei den Metaphern zu bleiben – „The Lady in the Van“ leider verbal totgekochte, fade filmische Schonkost mit leicht bitterer Fäkaleinlage.

Zu meinem Bedauern hatte ich vor der Vorstellung noch einen Kaffee getrunken. An ein erlösendes Nickerchen während des Films war also nicht zu denken. Hätte ich nicht ausgerechnet in der Mitte der Reihe gesessen, ich wäre wohl aufgestanden und gegangen.

Fun Fact: Dieser Film hat mit 0,5 Punkten einen neuen Negativrekord auf Hurzfilm aufgestellt. 

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